Stroh in Zeiten von High-Tech
Motivation Strohbau
Das Leben heutzutage ist sehr technisiert. Vom elektrischen Licht über das Smartphone vielleicht bald bis hin zum selbstfahrenden Auto? Es scheint, als sei nichts unvorstellbar. Doch die Technik kennt Grenzen. Keine Grenzen der Machbarkeit, sondern Grenzen der Praktibilität. Die Glühbirne geht kaputt - wir tauschen sie - sie kostet nicht viel. Das kaputte Smartphone ist schon schmerzlicher. Und beim kaputten Auto heisst es wieder ein paar Jahre Geld verdienen für den Ersatz. Wieso also alles mit Technik vollstopfen? Bis vor 100 Jahren ging es ja auch mit low-tec.
Echte Passivhäuser greifen hier ein! Mit dicker Isolation, pas-siven Solargewinnen und sinnvoller low-tec wie thermischen Solaranlagen. Ausserdem sollte man die eingesparte Heiz-energie nicht in Form von Dämmstoffen auf die Fassade kleben. Es gibt Alternativen! Natürliche Materialien sind für das Wohnraumklima, den Rückbau und das Recycling meist viel besser! Ausserdem sind sie oftmals auch viel atmungsaktiver als Kunststoffe und Ähnliches. Sie würden ihren Kopf schliesslich auch nicht unbedingt in eine Plastiktüte stecken...
Über den Umweg mehrerer konventionell isolierter Passivbauten, bei welchen sich das Konzept der niedrigen Technisierung bewährt hat, fand schliesslich das Thema Stroh Anklang bei Werner Schmidt.
Bestechend durch sein geringer Energieaufwand in der Herstellung, dem hohen Isolationswert und der Atmungsaktivität. Es ist also das ideale Material für ein low-tec Passivhaus.
Im Laufe der Jahre haben wir im Atelier verschiedene Strohbauformen weiterentwickelt. Von der lasttragenden Strohbauwand über strohgefüllte Holzelemente bis hin zu modularen Stroh-Element-Häusern. Jeder Strohentwurf ist individuell, und wir freuen uns immer über neue, experimentelle Aufgaben. Unser Ziel ist es, noch näher an die Idee eines autarken Gebäudes heranzukommen.
Urspünge des Strohballenbau
Das Bauen und Dämmen mit Strohballen war in den USA seit 1890 eine weit verbreitete Technik, um schnell, kostengünstig, einfach und effizient Häuser zu errichten. Anfangs wurden die Ballen noch mit Handpressen hergestellt, später dann schon mit Ballenpressen, welche von Pferden und Dampfmaschinen angetrieben wurden.
Erst um 1970 sprang die Begeisterung an dieser nachhaltigen Bautechnik in andere Länder über. In Australien, Neuseeland, Russland, der Mongolei, aber auch in Frankreich und Finnland und später auch in Holland, England, Norwegen, Schweden, Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden mit Stroh gedämmte Niedrigenergiehäuser errichtet.
Weltweit existieren heute mehr als zehntausend Strohballenhäuser, Die ältesten davon wurden bereits Anfang 1900 gebaut und weisen auch heute kaum merkliche Bauschäden auf.
Häufig gestellte Fragen
1. Ein Haus aus Stroh? Hält das?
Ja, Stroh ist in Form von gepressten Ballen sehr belastbar.
Bei Versuchen an der HTW Chur wurden Strohballen mit 15t/m² belastet, ohne Schaden zu nehmen.
2. Ein Haus aus Stroh? Das brennt doch ganz leicht -oder?
Nein, wenn die Wände fertig verputzt sind, erfüllen sie die Feuerwiderstandsklasse F90 -das entspricht einer 25cm dicken Betonwand! (ÖNORM B 3800-2)
3. Ein Haus aus Stroh? Da wohnen sicher auch jede Menge Tiere in der Wand -oder?
Nein, Strohwände sind offenbar kein geeignetes Umfeld für Tiere. Für Mäuse sind die Ballen zu stark verdichtet, um einen Nestbau zu ermöglichen. Ausserdem sind die Wände beidseitig von einer 3-5cm dicken Lehm- oder Kalkputzschicht geschützt.
Nach einer Untersuchung (Steen et al. 1994, S.64) meiden selbst Termiten Strohwände.
4. Ein Haus aus Stroh? Das fängt doch sofort an zu schimmeln -oder?
Bei richtiger baukonstruktiver Ausführung sind diese Bedenken unbegründet. Solange die Strohballen nicht ständiger Feuchte ausgesetzt sind, schimmeln sie nicht.
5. Ich bin Allergiker, da kommt ein Strohhaus wohl nicht in Frage -oder?
Doch, auch Allergiker können ein Strohhaus bewohnen.
Zwar treten beim Bauprozess Staubbelastungen auf, die bei Allergikern Reaktionen hervorrufen können, beim fertigen Haus sind die Wände allerdings so verputzt, das keine Beeinträchtigungen der Raumluft messbar sind.
6. Was passiert, wenn mir mal die Badewanne überläuft? Dann schimmelt es doch bestimmt!
Nein, wenn richtig gebaut wurde, kann das Wasser gar nicht in die Wand eindringen.
7. Was kostet ein Strohhaus im Vergleich zu einem konventionellen Haus?
Die Baukosten sind in etwa mit einem Passivhaus vergleichbar. Der grosse finanzielle Vorteil eines Strohhauses ergibt sich aufgrund der geringeren Betriebskosten über die Betriebsjahre hinweg.
8. Wie lange hält denn so ein Strohhaus?
Strohhäuser sind sicher nicht für die Ewigkeit gebaut, aber die ältesten bekannten Häuser stehen seit 1903 unbeschadet!
Eckdaten und Versuche
Allgemeine Daten
Rohdichte ρ90-140 kg/m³
Wärmeleitfähigkeit λ0,045-0,06 W/mK
Wärmekapazität c2,0 kJ/kgK
Wasserdampfwiderstandszahl μ2
Belastbarkeit (Zulassung)10 KN/m²
Primärenergiegehalt0,20 MJ/m³
Baustoffklasse BrandverhaltenB2
Drucktest
Seit dem Jahre 2001 werden in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur Versuche zu den Eigenschaften des Baumaterials Stroh durchgeführt. Auf dem Prüfstand des Baulabors wurden die Strohballen einem maximalen Druck von 15t/m² ausgesetzt (Grossballen).
Ergebnis: Stroh ist als Baumaterial für lasttragende Bauten geeignet und vermag durch seine spezifischen Eigenschaften Vorspannung aufzunehmen.
Brandversuch
Im Sommer 2003 wurde an der MPA in Braunschweig ein Brandtest mit einer Lehm verputzten, lasttragenden Strohballenwand durchgeführt.
Ergebnis: Einseitig beflammt erreichte die Wand eine Feuerwiderstandsklasse von F-90!
(nach EN13651-1999-10)
Erdbebentest
In Nevada wurde ein einfaches Strohballenhaus auf Erdbebensicherheit getestet.
Ergebnis: An den Anschlussstellen riss zwar der Putz, doch die Stabilität der Wände wurde nicht wesentlich beschädigt.
Herstellungsenergie von Strohballen
Die Energie zur Herstellung von Strohballen beträgt circa 0,20 MJ/kg.
Dies beinhaltet den Treibstoff für die Maschinen, den Transport in die Scheune von circa 50 km sowie die Bindematerialien.
Selbst bei einem Transport von 1'000 km zur Baustelle, beträgt der Wert nur circa 1 MJ/kg.
Im Vergleich hierzu liegen EPS (Styropor), XPS, und PUR bei je rund 100 MJ/kg Lebenszyklusenergie.
Der Dämmwert von 1,20m Stroh entspricht circa 0,90m EPS Dämmplattenstärke.
Die Energie zur Herstellung des EPS beträgt folglich 1'800 MJ/m², die des Strohs liegt bei circa 144 MJ/m².
Der Differenzbetrag beträgt 1'656 MJ = 460 kWh.
Bei einem Restenergiebedarf von circa 15 kWh/m² für ein Passivhaus könnte man also einen Quadratmeter Strohhaus mit dieser Energie 31 Jahre lang betreiben!
Autarke Gebäude
Zielsetzung ist die Realisation eines vollständig energie- und wasserhaushaltsautarken Wohnhauses, das zu Marktpreisen erhältlich und mit einem üblichen Wohnkomfort ausgestattet ist.
Auf den ersten Blick unvereinbare Zielsetzungen und Bedingungen sollen durch eine Forschungsarbeit so ineinander verwoben werden, dass ein "Organismus Haus" mit entscheidenden Vorteilen für die Bauherrschaft und die Umwelt entsteht.
Autarkes Wohnen heisst:
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keine Betriebskosten für Heizung, Warmwasser und Elektrizität zu benötigen
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das Regen- und Grundwasser für den Hausbetrieb optimal zu nutzen und somit ohne öffentliche Frischwasserzufuhr auszukommen. Die Fäkalien und das Schmutzwasser werden vorschriftsgemäss auf dem eigenen Grundstück gereinigt und genutzt.
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auf natürliche, biophysikalische Gesetze und technische Aspekte architektonisch zu reagieren und diese vernetzt umzusetzen
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hohen Wohnkomfort zu sichern
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einheimische Ressourcen zu verwenden
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den Verbrauch von grauer Energie bei der Herstellung, dem Transport und dem Einbau von Baumaterialien zu optimieren. Die eingesetzten Baumaterialien bei Umbau oder Abriss wieder zu verwerten.
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den «Organismus Haus» so zu bauen, dass er nach ca.15 Jahren die für den Bau verbrauchte Energie abgearbeitet hat (Plusenergiehaus)
Nach der Entwicklung und Realisierung eines Prototypen sollen sich die optimierten Gebäudekosten bei der Realisation einer Kleinserie dieser autarken Wohneinheiten im Kostenrahmen eines vergleichbaren konventionellen Gebäudes mit Ölheizung bewegen. Das Projekt unterstützt das bereits begonnene, ökologische Umdenken in der Bevölkerung und ermöglicht es, die Entscheidungsträger zu beeinflussen (Umweltkonferenzen).
Die notwendigen Technologien, um ein solches Konzept zu verwirklichen, sind bereits entwickelt. Die Aufgabe des Architekten besteht darin, diese Komponenten sinnvoll zusammen zu fügen.
Gesamtkonzept
Gesamtkonzept
Heute - Morgen
Graue Energie